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Interview mit Marlen Brandenberg (Hundeschule Tschigi)

Interview mit Marlen Brandenberg (Hundeschule Tschigi)

Marlen Brandenberg ist das Herz der Tschigi-Hundeschule im Zürcher Unterland. Dass Tschigi keine „normale“ Hundeschule ist, zeigt sich nicht nur daran, dass Marlen selbst Obligatorische-Kurse weder in der Gruppe noch auf einem Platz trainiert, sondern dass sie sowohl Ausbildungen für grosse Hunde als auch spezielle Kurse für die Kleinsten der kleinen Vierbeiner anbietet. 0815-Unterricht ist nicht ihr Ding, denn jedes Mensch-Hunde-Team hat eigene Bedürfnisse und Anforderungen, denen entsprochen werden muss. Ein Blick auf ihre Philosophie und die umfassenden Aus- und Weiterbildungen zeigen, dass ihre Trainingsmethoden freundschaftlich und non-aversive sind. Die vielen positiven Kundenfeedbacks geben ihr Recht.

Petsitting24: Liebe Marlen, was hat dich motiviert, Hundetrainerin zu werden?

Marlen Brandenberg: Es waren meine eigenen Hunde! Ich hatte damals in vielen Hundeschulen Hilfe gesucht. Nirgends wurde ich ernst genommen, nirgends wurde auf die Bedürfnisse meines kleinen Hundes eingegangen. Im Gegenteil! Meine Chihuahua-Hündin wurde von anderen Hunden überrannt, bedrängt und wir machten Übungen, in denen frontal auf Hunde zugegangen wurde oder sie von Menschen eingekreist wurden. Irgendwann habe ich meinen kleinen Hund gepackt, und bin gerannt. An jenem Tag sagte ich mir: „Sowas muss einfach besser gehen!“ und habe mich intensiv mit dem Thema Hundeausbildung beschäftigt. Seither sind 14 Jahre vergangen. Ich habe viele Ausbildungen gemacht und bin unglaublich froh, dass es wirklich „anders“ geht!

Petsitting24: Der tragische Todesfall eines Kindergärtners in Oberglatt vor 15 Jahren führte zur Einführung der Ausbildungspflicht für grosse/massige Hunde im Kanton Zürich. Das Zürcher Stimmvolk hat sich im Februar des vergangenen Jahres explizit für die Beibehaltung der Ausbildungspflicht ausgesprochen. Wird sich dadurch künftig das Miteinander von Mensch-Hund und Hund-Hund verbessern und wie?

Marlen Brandenberg: Das alles hatten wir schon mit dem SKN, der Schweizweit obligatorisch war und im Jahr 2017 wieder abgeschafft wurde. Nur der Kanton Zürich hat weiter an einer Ausbildungspflicht für grosse/massige Hunde festgehalten. Die Zahlen konnten jedoch nicht belegen, dass durch das Obligatorium weniger „Unfälle“ mit Hunden passiert sind. Ich persönlich war froh, dass die obligatorischen Kurse abgeschafft wurden. Denn während der Zeit des SKN suchten viel mehr Verhaltensfälle den Weg zu mir.

Den Beruf des Hundetrainers kann leider JEDER ausüben - auch ohne Ausbildung. Im Kanton Zürich besteht zwar eine Ausbildungspflicht für Hundetrainer, jedoch wird diese eher schlecht überprüft. Wie der Trainer danach mit Hunden und Menschen arbeitet, ist jedem selbst überlassen. Und genau da liegt das Problem. Es gibt Hundetrainer-Ausbildungen, die gerade mal ein paar Tage dauern. Da fehlt Wissen und Erfahrung, und sehr oft wird auch noch mit aversiven Methoden wie Druck und psychische und physische Gewalt gearbeitet. Die Hund-Mensch-Teams, die in solchen Hundeschulen landen, haben danach oft mehr Probleme als zuvor!

Eine obligatorische Ausbildung für Hundehalter macht dann Sinn, wenn die Menschen geschult werden! Wenn ihnen die Hundesprache vermittelt wird, beigebracht wird, welche Bedürfnisse die Hunde haben! Es sollte darum gehen, dass der Mensch seinen Hund besser versteht und weiss, wo dieser unsere Hilfe benötigt. Nur wer seinen Hund gut lesen und rechtzeitig und vorausschauend handeln kann, geht mit seinem Hund sicher durch den Alltag.

Petsitting24: Du gibst speziell auch Kurse für Kleinhundehalter. Weshalb brauchen auch die Kleinsten Erziehung und Ausbildung?

Marlen Brandenberg: Eigentlich brauchen diese Kurse vor allem die Hundebesitzer! Gerade kleine Hunde werden so oft falsch oder gar nicht verstanden. Sie werden bedrängt, an der Flexi-Leine herumgerissen und in schwierige Situationen gebracht. Wenn diese Hunde dann ihre Angst und ihren Frust mit Bellen oder Knurren zeigen, heisst es: „Typisch kleine Kläffer“. Aber niemand fragt sich, warum diese Hunde sich so artikulieren müssen!

Petsitting24: Muss sich das Training eines Arbeitshundes von einem Jagd- oder Schosshund unterscheiden?

Marlen Brandenberg: Wir halten mittlerweile fast alle Hunderassen auch als Familienhunde. In der Stadt sieht man deshalb oft auch typische Jagdhunderassen, wie z.B. den Weimaraner oder den Rhodesian Ridgeback. Die Menschen kaufen sich einen wunderschönen Weimaraner, wollen dann aber, dass dieser nicht jagt! Das muss man sich mal vorstellen: Man kauft sich einen seit Jahrhunderten für die Jagt gezüchteten Jagdhund und möchte, dass er nur schön ausschaut, aber nicht tut, wozu er gezüchtet wurde! Ich zeige den Menschen deshalb nicht, wie man dem Hund das Jagen „abgewöhnt“ - das geht schon deshalb nicht, weil Genetik zu stark ist – sondern welche Bedürfnisse so ein Hund hat und wie man damit umgehen kann, damit letztendlich Mensch UND Hund glücklich sind.

Entsprechend zeige ich in meiner Arbeit mit Hunden und Menschen individuell auf, was die Bedürfnisse des jeweiligen Hundes sind, wozu er gezüchtet wurde und worauf man besonders achten muss, um gut durch den Alltag zu kommen.

„Schosshunde“ werden im Übrigen so genannt, weil sie in ihren Ursprüngen dazu genutzt wurden, den „Schoss zu bewachen“. Entsprechend gehören viele kleine Hunderassen zu den „Wachhunden“ und machen ihren Job sehr gut! Und deshalb kommen die meisten Kunden zu mir, weil ihr kleiner Wachhund oft bellt oder im Haus jede Bewegung meldet…

Petsitting24: Hundeschulen spriessen wie Pilze aus dem Boden. Die Wahl der falschen Schule bzw. des falschen Trainers kann jedoch tiefgreifende Folgen für das künftige Zusammenleben mit dem Vierbeiner haben. Worauf sollen Neuhundehalter bei der Wahl ihrer Hundeschule achten?

Marlen Brandenberg: Da zitiere ich sehr gerne eine meiner Mentorinnen, Turid Rugaas (Hundetrainerin aus Norwegen, Buchautorin von „Calming Signals – Die Beschwichtigungssignale des Hundes“), sie hat einmal in einem Interview auf die Frage „Was empfehlen Sie einem Neuhundehalter“ gesagt: „Gehen sie nicht in die Hundeschule!“

Und so abstrus das auch tönt, das würde auch ich sagen! Gehen Sie nicht in eine Hundeschule in der zig Gruppenkurse angeboten werden, und nicht individuell auf Sie und Ihren Hund eingegangen wird.

Gehen Sie in eine Hundeschule wo SIE als Mensch viel über Hunde lernen dürfen. Der Hund kann schon alles, was er braucht für sein Leben, WIR Menschen müssen lernen, ihn zu verstehen und ihn da zu unterstützen, wo er in unserem Alltag Hilfe benötigt.

Herzlichen Dank für Deine Zeit und für das aufschlussreiche Interview!